Gefäßobjekt Sichel mit japanischer Malerei

Ingrid Ripke-Bolinius
Keramikerin im Künstlerdorf Worpswede

Worpswede, inmittten des niedersächsischen Teufelsmoor, unweit von Bremen gelegen, ist bekannt durch die 1889 gegründete Künstlerkolonie. Unaufgeregt und beschaulich präsentiert sich Worpswede den Besuchern, die der Hektik des Alltags entfliehen wollen. Die besondere Atmosphäre von Worpswede spürt man am besten, wenn man auf den kleinen Pfaden neben der den Ort durchziehenden Hauptstraße entlangschlendert.merken
Es gibt herausragende Sehenswürdigkeiten in Worpswede. Beispielsweise der1922 erbaute Niedersachsenstein, ein 18m hohes Monument aus Ziegelsteinen. Zum Kaffee trinken lohnt sich auch der Weg ins „Cafe verrückt“, im Volksmund so genannt, weil der Architekt Hoetger es ohne Bauzeichnungen und rechte Winkel baute. Besonders auffallend ist die „Käseglocke“, ein fast einhundert Jahre alter kuppelförmiger Bau auf dem Weyerberg. In Worpswede ist manches etwas kleiner und hat große Namen: Der Weyerberg misst stolze 54,4 m und der in der Nähe von Worpswede stehende Aussichtsturm Neu-Helgoland besticht mit einer Höhe von neun Meter. So ist es eben im Norden. Hoch hinaus hat hier eine andere Sichtweise.
Worpswede ist anerkannter Erholungsort und beherbergt zahlreiche Galerien und Kultureinrichtungen und viele Künstler lassen sich auch in den Ateliers bei der Arbeit zuschauen.
Eine davon stellen wir hier vor: Ingrid Ripke-Bolinius
Von Töpferscheibe, Limoges Porzellan und Schrühbrand
Mitten in Worpswede, in einer landschaftlich idyllischen Lage arbeite ich in meiner Werkstatt, die sich in unmittelbarer Nähe zum Wohnbereich befindet, so verbindet sich für mich Leben und Arbeit zu einer Einheit unter einem Dach. Einmal im Jahr laden mein Mann und ich, der auch künstlerisch tätig ist, zu einer gemeinsamen Hausausstellung ein und nehmen zudem an den Offenen Ateliers in Worpswede teil. Die Besucher*innen haben dann die Möglichkeit, an einem Wochenende uns und unsere Arbeit kennenzulernen und können sehen, wie und wo wir arbeiten. Im Eingangsbereich des Hauses befindet sich eine kleine Ausstellung, in der Gäste auch zu einer anderen Zeit die Arbeiten sehen und erstehen können. Durch diese besondere Lage im Ort und der Atmosphäre im lichtdurchfluteten Haus finde ich die notwendige Ruhe und Muße für den schöpferischen Prozess. Die Auseinandersetzung mit dem Kunsthandwerk prägt meinen Alltag und so zu leben verschafft mir Freude und Zufriedenheit.

Ein wesentliches Merkmal meiner Arbeit ist die Reduzierung auf Form und Material, ich bevorzuge eine klassische, ausgewogene, klare und individuelle Formensprache. Alle Gefäße sind von mir gearbeitet und aus Porzellan gedreht. Normalerweise ist Porzellan ein unplastisches Material und wird flüssig in eine Form gegossen. Die von mir verarbeitete Porzellanrohmasse kommt aus Limoges in Frankreich, hat eine ähnliche Konsistenz wie Ton und kann auf der Töpferscheibe gedreht und geformt werden. Sie ist aber im Vergleich zum Ton nicht so plastisch, dadurch schwieriger zu drehen und zu verarbeiten. Zuvor wird das Porzellan durchgeknetet, um eine gleichmäßige, homogene und luftblasenfreie Masse zu bekommen. Dafür habe ich einen Tonschneider mit einer Vakuumpresse, die mir etwas körperliche Arbeit abnimmt.

Auf der sich drehenden, elektrischen Töpferscheibe entsteht mit viel Wasser und durch die Bewegung meiner Hände eine Gefäßform. Die Töpferscheibe betätige ich per Fußpedal schnell bis langsam, je nachdem an welcher Form ich gerade arbeite. Der Entstehungsprozess ist ein kurzer, aber hoch konzentrierter Moment, da das Porzellan sonst zu weich wird und die gedrehte Form zusammenfällt. Die frischen Gefäße werden auf ein Regal gestellt und nach einiger Zeit gewendet, damit sie nicht einseitig antrocknen. Am nächsten Tag wird die Oberfläche der gedrehten Gefäße mit einer Modellierschlinge geglättet und in den Boden, mit einem Stempel, mein Signet gedrückt. Mitunter arbeite ich in diesem lederharten Zustand an manchen Gefäßen weiter, durch Verformungen und Montierungen erhält jedes handgefertigte Stück dadurch seine Einmaligkeit und Besonderheit als Unikat.
Die Feinheit, Eleganz und die handwerklich anspruchsvolle Verarbeitung des Porzellans fasziniert mich. Bei aller Präzision im Umgang damit, bin ich herausgefordert dessen Eigenarten einzuplanen. Die Motive werden auf die getrocknete, aber noch ungebrannte Porzellanoberfläche mit einem Bleistift gezeichnet und danach mit einer Modelliernadel ins Material geritzt. Anregungen für die Bildmotive erhalte ich von alten japanischen Holzschnitten, aus denen ich einen Teil der dargestellten Szenen abzeichne und übertrage. Zum Bemalen der Oberflächen verwende ich eine farbige Porzellanengobe. Eine Engobe ist flüssiges, eingefärbtes Porzellan.

Alle Gefäße werden im Elektroofen zwei Mal gebrannt, nach dem ersten Schrühbrand (960 Grad) wird am zweiten Tag innen glasiert und am nächsten Tag außen bemalt, dann folgt der zweite Brand, der Glattbrand bei 1230 Grad. Die Ofenatmosphäre, Brenntemperatur und die Brenndauer sind ausschlaggebend für die Oberflächen-Beschaffenheit, Farbigkeit und für ein gelungenes Endergebnis. Bevor ich den Brennofen öffne, kühlt er langsam zwei volle Tage ab, damit keine Kühlrisse entstehen und die Gefäße nicht zerplatzen. Von der Vorbereitung bis zur Herstellung des fertigen Produktes vergehen, je nach Arbeitsaufwand mehrere Wochen.

In meiner Werkstatt entstehen Vasen, Schalen, Gefäße und Gefäßobjekte als Einzelstücke, sowie Teekannen und Teeschälchen für den alltäglichen Gebrauch in einer Kleinserie. Die fertigen Arbeiten sind außen matt, innen glänzend glasiert, wasserundurchlässig und Geschirrspülmaschinen tauglich. Sie haben kleine, sichtbare Spuren meiner Hände, fühlen sich ganz leicht rauh an und bei dünner Wandstärke sind einige Gefäße lichtdurchscheinend.

Die Porzellanarbeiten verkaufe ich selbst auf Keramik- und Kunsthandwerkermärkten, erlebe den direkten Kontakt zu Kunden*innen und den Austausch mit meinen Kollegen*innen immer als eine große Bereicherung. Zudem gibt es meine Arbeiten in der Kunststiftung Netzel und in der Galerie Traumpfade in Worpswede zu sehen und zu kaufen, oder über meinen Onlineshop. Nach telefonischer Vereinbarung können Sie auch gerne zu mir ins Atelier kommen.
Online Shop von Ingrid Ripke-Bolinius

Leben & Schaffen

Der berufliche Weg
1961    geboren in Vechta
1977    Berufsausbildung zur Schaufenstergestalterin
1980    Fachoberschule für Gestaltung in Bremen, Keramik bei Lisa Jenneskens,
            im Anschluss Beginn der keramischen Arbeit als Autodidaktin
1984    bis  1988  Mitarbeiterin der Töpferei Ursula Kohne in Worpswede
Seit      1989 freischaffend als Keramikerin in Worpswede

Preise / Auszeichnungen            
2012 Niederrheinischer Keramikpreis der Stadt Krefeld
2012 Drehpreis Noord Nederland Dwingeloo
2019 Katharina-Aust 3. Preis, AdK Kunst Handwerk Design Hamburg
Arbeitsstipendium:                
1998 Paul Ernst Wilke Atelier, Bremerhaven
TV:
2006 Fernsehportrait in der NDR Sendung Wohnträume, Sendetermin 04.02.2006
Film:
2010 Flimmern und Rauschen, Ingrid Ripke-Bolinius
2016 Worpswede jetzt, Ingrid Ripke-Bolinius
Literatur:
1998 NEUE KERAMIK, Bd.6 Nr.4
2014 Das Magazin zum Ort – Worpswede, Verlag CULTURCON
2016 NEUE KERAMIK, Bd. 4/16

Ausstellungen, Keramik - und Kunsthandwerkermärkte
Apeldoorn (NL), Agathenburg, Bad Gandersheim, Bad Rehburg, Bad Rothenfelde, Barnitz, Barnstorf, Beckum, Bielefeld, Bochum, Bonn, Bremen, Bremerhaven, Burgdorf, Cloppenburg, Cuxhaven, Detmold, Dötlingen, Drenthe (NL), Eckernförde, Frechen, Fischerhude, Fredenbeck, Friedrichstadt, Eutin, Dwingeloo (NL), Gmunden (Ö), Göttingen, Glückstadt, Graz (Ö), Hamburg, Hannover, Hasefeld, Harpstedt, Hildesheim, Höhr-Grenzhausen, Husum, Hüfingen, Isernhagen, Kellinghusen, Kiel, Köln, Krefeld, Ladenburg, Lage, Leer, Lüneburg, Minden, Milsbek (NL), Mönchengladbach, Münster, Neustadt, Noordhorn (NL), Ootmarsum (NL), Oldenburg, Osterholz-Scharmbeck, Ottensen (Ö), Paderborn, Peine, Reinbek, Ronnenberg, Satemin, Springe, Siegburg, Stade, Swalmen (NL), Süderschmedeby, Teterow, Tijnje (NL), Überlingen, Ulsnis, Vechta, Verden, Wennigsen, Wolfenbüttel und Worpswede.
 
Karte Ingrid Ripke-Bolinius Porzellan